Verlieren Chefs jetzt ihre Macht?
Irgendwie hat man das Gefühl, dass sich das Blatt in Sachen Bewerbung, Einstellung und Mitarbeiterführung wendet. Spätestens mit der Generation Z kommen Arbeitskräfte auf den Markt, die hohe Erwartungen an ihren Arbeitspatz haben. Saß man früher in der Schule noch auf einem einfachen Holzstuhl, sind es im 21. Jahrhundert bereits ergonomisch geformte High-Tech-Sessel in den Klassenzimmern. Und man möchte sich nach der Schule ja schließlich auch nicht verschlechtern.
Heute sind es die Mitarbeiter, die ihre Arbeitsplätze gestalten, die während der Einstellungsgespräche klare Forderungen stellen und die auf Work-Life-Balance pochen. Das Gehalt ist schon lange nicht mehr das überzeugendste Argument. Mindestens auf einer Stufe damit stehen Goodies wie ein Soccer-Tisch im Pausenraum oder freie Zeiteinteilung. In einer deutschen Fernsehshow wird dieser Trend jetzt auf die Spitze getrieben. Hier stellen die Mitarbeiter ihren neuen Chef gleich selbst ein.
Kollaborativer Führungsstil: Du wirst mein neuer Chef
In einer deutschen Fernsehshow wird aktuell ein besonderes Experiment mit der Kamera begleitet. Hier dürfen die Mitarbeiter selbst aussuchen, wer ihr nächster Vorgesetzter sein soll. In der ersten Folge zeigte der Sender eine Bäckerei mit mehreren Filialgeschäften, die einen neuen stellvertretenden Firmenchef suchten. Drei sehr unterschiedliche – von dem Experiment ahnungslose Bewerber – mussten verschiedene Aufgaben in der Praxis bewältigen und dabei ihren späteren Führungsstil unter Beweis stellen. Da sie dabei gefilmt wurden, konnten sich auch alle Mitarbeiter aus den anderen Abteilungen ein genaues Bild von der Person des potenziellen neuen Chefs machen. Am Ende durften alle abstimmen. Von der Putzfrau bis zum Geschäftsführer hatte jeder dieselbe Stimme. Am Ende setzte sich gegenüber einem erfahrenen Bäckermeister und einem etwas über-engagierten jungen Wirtschaftsabsolventen eine junge, dynamische Frau durch, die sich aus der Position der Bäckereifachangestellten hochgearbeitet hatte.
Kann sich eine führungslose Führung in der Arbeitswelt durchsetzen?
Der kollaborative Führungsstil setzt auf das Vertrauen des Chefs zu seinen Mitarbeitern. Es gibt klare Regeln, die aber niemand kontrolliert. Das Engagement eines Mitarbeiters soll aus seiner eigenen Motivation heraus entstehen und nicht daraus, dass der Chef jederzeit unerwartet ins Büro platzen könnte.
Blickt man auf die nachwachsende Generation in der Arbeitswelt, so ist klar, dass die patriarchische Führung kaum noch eine Chance haben wird. Schon in der Schule sind die Lehrer mehr Teamkollegen als Vorgesetzte. Schüler arbeiten in den oberen Klassen in Teams zusammen und lernen es frühzeitig, Eigenverantwortung zu übernehmen. Aus diesem Kreis heraus werden auch die neuen Führungskräfte geboren, die eher Zielvereinbarungen führen und dann mal machen lassen. Sie haben Vertrauen in die Mitarbeiter-Kollegen, können Aufgaben abgeben und motivieren durch Vertrauen. Dadurch werden die unternehmerischen Ziele nicht mehr zu fremden, sondern zu eigenen Zielen. Wenn das mal nicht motivierend ist.
Dennoch sollte es am Ende immer noch jemanden geben, der BASTA sagen kann.
Gibt es auch Grenzen?
Ja – zum Beispiel gegenüber Auszubildenden, die auf klare Ansagen angewiesen sind. Nicht jeder Mitarbeiter kann außerdem mit dem Vertrauensvorschuss umgehen. Es gibt auch die, die ihre Freiheit ausnutzen. Daher macht es Sinn, sich schrittweise an den Führungsstil heranzutrauen, abzuwarten was passiert und im Ernstfall zurückrudern zu können.